In der Produktion von neuen Gesetzen, Verordnungen und Förderprogrammen könnte man der EU-Kommission und der Bundesregierung den großen Fleißorden verleihen. Je weiter die Energiekrise eskaliert, desto schneller die Verkündung neuer Maßnahmen durch die Politik bzw. die Ministerien, um negative Folgen einzuhegen. Das große Manko: Alles passiert nur noch im Hauruck-Verfahren, Anhörungsfristen sind teilweise nur noch Stunden oder über das Wochenende, die angehörten Verbände vertreten ihre eigenen Interessen und somit sind die Ergebnisse in vielen Fällen suboptimal. Dazu - das hat man besonders beim novellierten EnSiG gesehen - ist das Ergebnis nicht immer konsistent und muss zügig nachgebessert werden (nachdem § 24 sich als sehr risikobehaftet herausgestellt hat, wurde der neue § 26 eingefügt). Können wir so die Energiekrise und die Energiewende meistern, ohne die industrielle Basis hierzulande nachhaltig zu schädigen bzw. zu verlieren? Womit wir zum jüngsten Instrument zur Kostendämpfung in der Industrie kommen: dem Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP).
Unternehmen, die von besonders hohen Energiekosten betroffen sind, können beim BAFA für den Zeitraum Februar bis September 2022 einen monatlichen Zuschuss (die sogenannte „Billigkeitsleistung“ = Zahlung, die erbracht wird, obwohl keine rechtliche Verpflichtung besteht) zu ihren Erdgas- und Stromkosten beantragen. Als Unternehmen gilt jede rechtlich selbstständige Einheit mit Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum. Das Unternehmen muss mindestens eine Betriebsstätte in Deutschland haben, da im Rahmen der Zuschussberechnung nur Energiemengen berücksichtigt werden, die in einer Betriebsstätte in Deutschland verbraucht wurden. Als Unternehmen wird die kleinste wirtschaftlich, finanziell und rechtlich selbständige Einheit, die unter einheitlicher und selbständiger Führung steht, angesehen. Bei Konzernen wird deshalb immer die einzelne Konzerngesellschaft betrachtet. Der Zuschuss liegt bei max. 50 Mio. € je Unternehmen und das Volumen liegt insgesamt bei 5 Mrd. €. Ausgangspunkt ist die monatliche Preisdifferenz der gezahlten Strom- und Gaskosten im Zeitraum Februar bis September 2022 im Vergleich zu den im Kalenderjahr 2021 durchschnittlich angefallenen Kosten. Die monatliche Preisdifferenz oberhalb einer Verdopplung des Erdgas- und Strompreises wird anteilig bezuschusst. Es gibt drei Förderstufen, die nach Wirtschaftsbranchen und Betriebsverlust eingeteilt werden, wobei die 3. Stufe die höchste Förderung erfährt. Eine Antragstellung ist nur elektronisch über das ELAN-K2 Online-Portal des BAFA bis zum 31.08.2022 möglich. Als so genannte „Besondere Leistungsvoraussetzung“ muss die Geschäftsleitung des Unternehmens auf eine Erhöhung ihrer Vergütung sowie auf den variablen Teil ihrer Vergütung für das Geschäftsjahr vollständig verzichten. Fassen wir die Voraussetzungen und Fördersätze kurz zusammen:
Förderstufe 1
Ihr Unternehmen gehört einer energie- und handelsintensiven Branche nach Anhang 1 der Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022 (KUEBLL) an und ist als energieintensiver Betrieb im Sinne des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a erster Unterabsatz Alternative 1 der Energiebesteuerungsrichtlinie qualifiziert. Dies vorausgesetzt müssen sich ihre Energiebeschaffungskosten (im Regelfall Gesamtkosten für Strom und Heizstoffe ohne Umsatzsteuer) im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr, das vor dem 1. Februar 2022 endete, auf mindestens 3 % des Produktionswerts belaufen haben.
Die förderfähigen Kosten errechnen sich separat für Strom und Erdgas aus dem tatsächlichen monatlichen Energiepreis in ct/kWh und dem Doppelten des im Kalenderjahr 2021 durchschnittlich gezahlten Preises in ct/kWh. Beim Energiepreis ist lediglich der Arbeitspreis für Einkauf, Service und Vertrieb zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte. Die Differenz in ct/kWh wird multipliziert mit den kWh, die das Unternehmen selbst während eines Fördermonats verbraucht hat; eigenerzeugte Mengen werden nicht einberechnet. Von den so errechneten monatlichen Beträgen sind 30 % für die Monate Februar bis Juni und 20 % für die Monate Juli bis September förderfähig. Der Maximalbetrag beträgt je Fördermonat 250.000 € und im gesamten Förderzeitraum 2 Mio. €.
Förderstufe 2
Zusätzlich zu den Voraussetzungen der Förderstufe 1 weist das Unternehmen einen Betriebsverlust (negatives EBITDA: Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen ohne einmalige Wertminderungen) im jeweiligen Kalendermonat des Förderzeitraums (Fördermonat) auf, soweit die förderfähigen Kosten im jeweiligen Fördermonat mindestens 50 % dieses Betriebsverlusts ausmachen. Dann sind von den errechneten monatlichen Beträgen 50 % für die Monate Februar bis Juni und 40 % für die Monate Juli bis September förderfähig. Der Maximalbetrag im gesamten Förderzeitraum beträgt 25 Mio. €, jedoch maximal 3,125 Mio. €/Monat bzw. 80 % des Betriebsverlustes im jeweiligen Monat.
Förderstufe 3
Zusätzlich zu den Voraussetzungen von Förderstufe 1 und 2 gehört das Unternehmen einer besonders energie- und handelsintensiven (Teil-)Branche nach dem Anhang des EU-Krisenrahmens an. Dann sind von den errechneten monatlichen Beträgen 70 % für die Monate Februar bis Juni und 60 % für die Monate Juli bis September förderfähig. Der Maximalbetrag im gesamten Förderzeitraum beträgt 50 Mio. €, jedoch maximal 6,25 Mio. €/Monat bzw. 80 % des Betriebsverlustes im jeweiligen Monat.
Die Gewährung der Förderung steht unter dem Vorbehalt der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und der endgültigen Prüfung. Soweit nicht genügend Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, um sämtliche Zuschüsse auszahlen zu können, werden sie quotal gekürzt.
Fazit
In den „Genuss“ der Förderung kommen Unternehmen, wenn sie im Basisjahr 2021 noch relativ günstige Beschaffungskosten hatten und in 2022 bereits sehr hohe Energiekosten haben. Das sind in der Regel diejenigen, die sich für 2022 kurzfristig eindecken und im Jahr 2021 noch von günstigen Altabschlüssen profitiert haben. Beim Strom beispielsweise liegt der durchschnittliche Day-Ahead im Jahr 2021 bei etwa 97 €/MWh und in 2022 bisher bei ca. 195 €/MWh, also etwa beim Doppelten, Tendenz steigend. Beim Erdgas liegt der durchschnittliche Day-Ahead in 2021 bei etwa 47 €/MWh und in 2022 bisher bei ca. 106 €/MWh, also etwas deutlicher über dem Doppelten, Tendenz ebenfalls steigend. Bei monatlicher Betrachtung kann es daher interessanter werden, trotz geringerer Förderquote ab Juli; das setzt aber wieder voraus, dass das Unternehmen aktuell am Spot oder monatlich bezieht und die volle Kostensteigerung zu spüren bekommt. Es werden wohl eher sehr große Verbraucher sein, die in 2022 von der Förderung profitieren, da die meisten energieintensiven mittelständischen Unternehmen eher Jahresverträge für 2022 abgeschlossen haben. Bleibt abzuwarten, ob das Programm in 2023 fortgesetzt wird und das Basisjahr 2021 bleibt. Dann könnte es für viele Unternehmen sinnvoll werden, das Programm genau zu prüfen.